Was ist Figurentheater eigentlich ?
Puppentheater, auch Puppenspiel oder Figurentheater, ist eine Form der darstellenden Kunst, bei der Spieler mit Figuren auf einer Bühne vor Zuschauern agieren.
Das Figurentheater wird im theaterwissenschaftlichen Sinne als Abgrenzung zum traditionellen Puppentheater auch als "künstlerisches Puppentheater" bezeichnet. Mit diesem sind die neuen Spielformen, zum Beispiel offene Spielweise, Vermischung von Figurenformen und von verschiedenen Künsten, gemeint. Viele Theaterwissenschaftler und Figurenspieler benutzen die Bezeichnung Figurentheater als Überbegriff, um das breite Feld von Puppentheater, künstlerischem Puppentheater, Objekttheater und ähnlichen Formen abzudecken. Oft ist auch der Begriff "anderes Theater" hierfür üblich.
Die Bezeichnung Puppentheater ist eher für traditionelle, meist verdeckte Formen des Figurenspiels gebräuchlich. Der Begriff "Figurentheater" taucht erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf.
Archäologische Funde lassen vermuten, dass schon vor unserer Zeitrechnung bewegte Figuren zu religiösen und zeremoniellen Feiern genutzt wurden.
Eine tatsächliche Theaterform mit dramatischer Handlung entwickelte sich wohl erst später. Anfangs noch ausgehend von der Darstellung religiöser Begebenheiten, verloren die Figuren mit schwindender geistlicher Funktion auch immer mehr an Bedeutung. Daher sind die Quellen relativ rar.
Als Ursprungsraum für das Handpuppentheater wird Persien angenommen. Gliederpuppen (Marionetten) sind bereits im antiken Griechenland bekannt. Aristoteles beschreibt eine Figur, die den Kopf drehen, den Nacken, die Glieder und sogar die Augen bewegen konnte. Platon verwendet in seinen Schriften das Bild von der an Fäden gezogenen Puppe als Symbol für menschliche Abhängigkeit.
Im 6. Jahrhundert bezog sich der Bischof von Alexandria auf kleine hölzerne Abbildungen, die auf Hochzeiten gezeigt wurden und durch irgendeine Art Fernbedienung tanzen konnten. In China lässt sich das Puppentheater zuverlässig erst ab der Tang-Dynastie nachweisen, doch erfuhr es dort erhebliche Verbreitung. Im asiatischen Raum entwickelte sich auch das Schattentheater, das sich zum Teil heute noch den überlieferten mythischen Stoffen widmet.
Erst nach den Kreuzzügen findet man in unserem Kulturkreis erste Abbildungen von Spielfiguren. Die bisher älteste Darstellung eines Puppenspiels stammt aus der Zeit um 1160 und findet sich im Hortus Deliciarum der Äbtissin Herrad von Landsberg. Die nächste Abbildung ist erst wieder als Randverzierung in einer Brüggischen Handschrift (Ms. 251) aus dem 13. Jahrhundert und dann im Alexanderlied um 1344 zu sehen. Es handelt sich um eine Possenburg, ein Handpuppentheater mit Zuschauern. Beide Handschriften gehen im Text nicht auf die Theaterform ein, da sie vermutlich inzwischen zwar allgemein bekannt, aber nach wie vor unbedeutend war. In Schwerin wurde der Kopf einer Handpuppe gefunden, der ebenfalls auf diese Zeit datiert wird.
Zur Shakespeare-Zeit (16. Jahrhundert) entstanden die ersten Stoffe und Libretti für das Puppentheater. In der Türkei entwickelte sich das Karagöztheater, und in Italien gewann die Commedia dell'arte an Bedeutung. Von dieser Zeit an gehören reisende Puppentheater zum üblichen Bild auf den Märkten. Die Stoffe handeln oft von archaischen und mythischen Dingen wie Himmel und Hölle, Gut und Böse. Das Puppenspiel vom Dr. Faustus ist ein Beispiel dafür. Manche deutsche Wanderbühnen konnten Puppentheater als Alternative zum Schauspiel anbieten. Oft blieben stehende Rollen oder lustige Personen, die auf der Bühne nicht mehr modern sind, im Puppentheater erhalten (Pulcinella bzw. Punch, Pierrot, Hanswurst, Staberl).
Aufklärung und Romantik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Intellektuellen der Aufklärung wandten sich gegen die typischen Stoffe des damaligen Puppentheaters - die Beschäftigung mit Übernatürlichem wurde verachtet. Zusätzlich haben Gaukler aller Sparten mit Städteordnungen zu kämpfen, die die Möglichkeiten der Truppen begrenzen (siehe auch: Pariser Jahrmarktstheater).
Im 19. Jahrhundert erfuhr das Puppenspiel eine Romantisierung. Zwar wurden neue Stücke speziell für diese Theaterform entwickelt, aber im Gegensatz zu vorher wurden nun Kinder angesprochen.
Nach der Revolution von 1917 erkannte Russland die Möglichkeiten, diese Theaterform zur "Bildung des Volkes" zu nutzen. Auch in Deutschland erlebte das Puppenspiel nach dem Ersten Weltkrieg eine von Jugendbewegung, Theater, bildenden Künstlern und Pädagogen geförderte Renaissance. Ein festes Puppentheater war beispielsweise die Künstler-Marionettenbühne in der Würzburger Valentin-Becker-Straße. Am 4. Dezember 1934 war die Premierenvorstellung. Die von dem Bildhauer Joseph Bendel, dem Volksschullehrer Siegfried Lechler und dem Grafiker Leo Flach geführte Bühne bestand bis 1939.[1]
Die Nationalsozialisten verwendeten diese Theaterform wenig später zu Propagandazwecken. In der Werbung mutierte die Figur des Kasper, einst obrigkeitsverleugnend und dem Genuss zuneigend, teilweise zum niedlichen Zähneputzvorbild.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte sich das Puppenspiel teilweise, wie andere Künste auch, aus dem "Korsett der Zweckmäßigkeit" zu befreien. Experimentelle Stücke entstanden, desgleichen neue Figurenarten bis hin zum reinen Material, ebenso Verbindungen der verschiedenen Bühnenformen. Daneben existierten die "volksnahen" und oft zielgerichteten Stücke allerdings weiter: In der Verkehrserziehung beispielsweise nahm der Verkehrskasper in der nach ihm benannten Theaterform die tragende Rolle des Freundes, Helfers und Beraters der Kinder bei Fragen des Verkehrsumgangs und als Kontrahent des Verkehrsteufels an.
In der DDR war das Puppentheater eine der Sparten der Darstellenden Kunst und hatte in fast allen Bezirken (u. a. Schwerin, Gera, Erfurt, Dresden, Berlin, Magdeburg, Neubrandenburg) eine feste staatliche Spielstätte mit meist umfangreichem Ensemble und Werkstatt. Entsprechend umfassend war die Ausbildung zum Puppenspieler an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin, die sich an der renommierten Schauspielmethodik dieser Hochschule orientierte, dazu gab/gibt es stärker als in anderen Ländern eine detaillierte Puppenspiel-Technik-Ausbildung.
Auch in Westdeutschland gab und gibt es feste Ensembletheater (u. a. Lübeck, Düsseldorf, München, Schwäbisch Hall, Augsburg, zwei in Köln und zwei in Würzburg), welche aber von jeher privat wirtschaften und um Subventionen oder Sponsoren kämpfen (mit Ausnahme z. B. des dem Lokalkolorit verpflichteten städtischen Mundarttheaters Hänneschen-Theater (Puppenspiele der Stadt Köln)). Aus diesem Grund stellte sich das Puppentheater in Westdeutschland meist als reisende Solobühne oder Spieler-Duo (Mann-Frau) dar. Bei den Spielern handelte es sich oft um Autodidakten, die für ihre Weiterbildung selbstverantwortlich Seminare besuchen oder bei einer bestehenden Bühne hospitieren mussten.
Erst 1977 wurde vom Verband deutsche Puppentheater eine Ausbildungskommission gegründet, welche 1983 erreichte, dass an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart der Studiengang "Figurentheater" eingerichtet wurde, die erste Ausbildungsstätte für Figurentheater in West-Europa. An der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe wurde das Puppenspiel von Wolfram Ellwanger in die erziehungswissenschaftliche Lehrerbildung eingebunden und von Siegbert A. Warwitz in Form des Verkehrskasper als modernes Lehrtheater zur Verkehrserziehung weiterentwickelt.